18-03-2020
75. Sure: Al-Kiyama (Die Auferstehung)
Offenbart in Mekka
40 Ayat (Verse)
Meide das Böse. Glaube an das Jenseits; denn Allah wird dich nach deinem Tod zum Leben zurückbringen. Allah (t) hat dich nicht ohne Grund und Verantwortung erschaffen. An jenem Tage wirst du Zeugnis ablegen über deine eigenen Fehler; deshalb halte das Jenseits stets im Auge. Die Gesichter der Gesegneten werden mit Glanz und Schönheit strahlen. Die anderen werden traurig sein, als hätte sie ein Unglück überkommen. Möge derjenige verflucht sein, der immer noch nicht an Allahs Willen und Seine Fügung denkt, und Ihm nicht für die gegebenen Güter und bescherten Gaben dankt.
بِسْمِ اللَّـهِ الرَّحْمَـٰنِ الرَّحِيمِ
Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
لَا أُقْسِمُ بِيَوْمِ الْقِيَامَةِ ﴿١﴾ وَلَا أُقْسِمُ بِالنَّفْسِ اللَّوَّامَةِ ﴿٢﴾ أَيَحْسَبُ الْإِنسَانُ أَلَّن نَّجْمَعَ عِظَامَهُ ﴿٣﴾ بَلَىٰ قَادِرِينَ عَلَىٰ أَن نُّسَوِّيَ بَنَانَهُ ﴿٤﴾ بَلْ يُرِيدُ الْإِنسَانُ لِيَفْجُرَ أَمَامَهُ ﴿٥﴾ يَسْأَلُ أَيَّانَ يَوْمُ الْقِيَامَةِ ﴿٦﴾ فَإِذَا بَرِقَ الْبَصَرُ ﴿٧﴾ وَخَسَفَ الْقَمَرُ ﴿٨﴾ وَجُمِعَ الشَّمْسُ وَالْقَمَرُ ﴿٩﴾ يَقُولُ الْإِنسَانُ يَوْمَئِذٍ أَيْنَ الْمَفَرُّ ﴿١٠﴾ كَلَّا لَا وَزَرَ ﴿١١﴾ إِلَىٰ رَبِّكَ يَوْمَئِذٍ الْمُسْتَقَرُّ ﴿١٢﴾ يُنَبَّأُ الْإِنسَانُ يَوْمَئِذٍ بِمَا قَدَّمَ وَأَخَّرَ ﴿١٣﴾ بَلِ الْإِنسَانُ عَلَىٰ نَفْسِهِ بَصِيرَةٌ ﴿١٤﴾ وَلَوْ أَلْقَىٰ مَعَاذِيرَهُ ﴿١٥﴾
„Nein! Ich schwöre beim Tag der Auferstehung (1); und (abermals) nein! Ich schwöre bei jeder reumütigen Seele. (2) Meint der Mensch etwa, dass Wir seine Gebeine nicht sammeln werden? (3) Aber ja, Wir sind wohl imstande, seine Finger gleichmäßig zu formen. (4) Doch der Mensch wünscht sich, Sündhaftigkeit vorauszuschicken. (5) Er fragt: „Wann wird der Tag der Auferstehung sein?“ (6) Dann, wenn das Auge geblendet ist (7) und der Mond sich verfinstert (8) und die Sonne und der Mond miteinander vereinigt werden. (9) An jenem Tage wird der Mensch sagen: „Wohin (könnte ich) nun fliehen?“ (10) Nein! Es gibt keine Zuflucht! (11) (Nur) bei deinem Herrn wird an jenem Tage die Endstation sein. (12) Verkündet wird dem Menschen an jenem Tage, was er vorausgeschickt und was er zurückgelassen hat. (13) Nein, der Mensch ist Zeuge gegen sich selber (14), auch wenn er seine Entschuldigungen vorbringt.“ (Der edle Koran 75:1-15)
75:1-2 - Allah (t) schwört beim Tag der Auferstehung, nach der diese Sure genannt ist.[1] Dass dieser Abschnitt mit "Nein!" anfängt, zeigt, dass er sich gegen einen bereits vorhandenen Einwand wendet. Die folgende Thematik macht deutlich, dass es um die Auferstehung und das Leben nach dem Tod ging, das die Leute von Mekka gleichzeitig leugneten und verspotteten.[2]
75:3-7 - Für die Götzendiener ist es schwierig zu begreifen, dass zerfallenes Gebein wieder zusammengesetzt werden kann, nachdem es längst in der Erde zerstreut war, so dass der Mensch lebendig wieder aufersteht. Für einige Menschen scheint dies bis heute schwierig zu sein. Der Koran antwortet darauf in den nächsten Versen.[3]
75:8-12 - Nicht nur die Sehfähigkeit des Menschen wird geblendet, sondern auch die großen leuchtenden Himmelskörper verlieren ihre Leuchtkraft. Der Mond mit seinem gegenwärtigen reflektierten Licht hört auf zu leuchten.[4] Und am Tage des Jüngsten Gerichts werden die Sonne und der Mond miteinander vereinigt werden. Für den Mond ist die Sonne das Ursprungslicht, aber auch die Sonne selbst ist ein von Allah (t) erschaffenes Licht und verschwindet zusammen mit dem Mond im Nichts. Hier dann endet das Leben auf der Erde, das nach der Erkenntnis der Wissenschaft von diesen beiden Himmelskörpern abhängig ist.[5]
75:13-15 - So zum Beispiel eine wohltätige Stiftung oder eine wissenschaftliche Arbeit oder rechtschaffene Nachkommen, die ein Bittgebet für ihn sprechen, wie der Prophet (صلى الله عليه و سلم) sagte[6]: „Wenn der Sohn Adams stirbt, wird sein Buch geschlossen, und zwar mit Ausnahme dessen, der ein Dauer-Almosen oder ein nützliches Wissen oder ein rechtschaffenes Kind hinterließ, das für ihn Bittgebete spricht.“ Wir Muslime bitten demnach für unsere gestorbenen, gläubigen Eltern und pflegen nach den Worten unseres Propheten zu sagen: „O Allah, vergib mir und meinen Eltern und den Gläubigen am Tage, an dem die Abrechnung vollzogen wird.“[7]
لَا تُحَرِّكْ بِهِ لِسَانَكَ لِتَعْجَلَ بِهِ ﴿١٦﴾ إِنَّ عَلَيْنَا جَمْعَهُ وَقُرْآنَهُ ﴿١٧﴾ فَإِذَا قَرَأْنَاهُ فَاتَّبِعْ قُرْآنَهُ ﴿١٨﴾ ثُمَّ إِنَّ عَلَيْنَا بَيَانَهُ ﴿١٩﴾كَلَّا بَلْ تُحِبُّونَ الْعَاجِلَةَ ﴿٢٠﴾ وَتَذَرُونَ الْآخِرَةَ ﴿٢١﴾ وُجُوهٌ يَوْمَئِذٍ نَّاضِرَةٌ ﴿٢٢﴾ إِلَىٰ رَبِّهَا نَاظِرَةٌ ﴿٢٣﴾ وَوُجُوهٌ يَوْمَئِذٍ بَاسِرَةٌ ﴿٢٤﴾ تَظُنُّ أَن يُفْعَلَ بِهَا فَاقِرَةٌ ﴿٢٥﴾
„Bewege deine Zunge nicht mit ihm (dem Koran), um dich damit zu übereilen. (16) Uns obliegt seine Sammlung und seine Verlesung. (17) Darum folge seiner Verlesung, wenn Wir ihn verlesen lassen. (18) Dann obliegt Uns, seine Bedeutung darzulegen. (19) Nein, ihr aber liebt das Weltliche (20) und vernachlässigt das Jenseits. (21) An jenem Tage wird es strahlende Gesichter geben (22), die zu ihrem Herrn schauen. (23) Und manche Gesichter werden an jenem Tage gramvoll sein (24); denn sie ahnen, dass ihnen bald darauf ein schreckliches Unglück widerfahren soll.“ (Der edle Koran 75:16-25)
75:16-19 Als der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, die Eingebung mit schnellem Verständnis aufnahm, suchte er Gabriel die Rezitierung zu entreißen und geduldete sich nicht, bis dieser sie vollendete. Denn er wollte die Eingebung rasch ins Gedächtnis aufnehmen und fürchtete, dass sie ihm entschlüpfen könnte. Darauf wurde ihm befohlen, dass er Gabriel zuhöre und ihm Herz und Gehör zuwende, damit er ihm seine Eingebung endgültig übermitteln könne. Dann könne Muhammed (صلى الله عليه و سلم) ein eingehendes Studium folgen lassen, bis er darin sicher sei. Der Sinn ist also: Bewege deine Zunge nicht mit dem Rezitieren der Eingebung, solange Gabriel noch beim Rezitieren ist! So dass du dich damit übereilst: So dass du den Koran eilig aufnimmst und er dir nicht entschlüpft. Nun hat Allah das Verbot der Übereilung begründet, indem Er gesagt hat: Es ist Unsere Aufgabe, ihn in deiner Brust zusammenzubringen und seine Rezitierung durch deine Zunge zu festigen. Und erst wenn Wir ihn dir vorrezitiert haben: Hier setzt Allah die Rezitierung durch Gabriel mit Seiner eigenen gleich, wobei mit dem Wort "Koran" die Rezitierung gemeint ist. Dann folge seiner Rezitierung: Folge Gabriel darin nach und tritt nicht mit ihm in Wettbewerb! Hab keine Angst, dass die Rezitierung nicht bewahrt wird! Wir bürgen dafür. Hierauf ist es Unsere Aufgabe, ihn in seiner Bedeutung im Einzelnen darzulegen: nämlich dann, wenn irgendwelche seiner Bedeutungen dir Schwierigkeiten bereiten.[8]
75:20-21 - Das Thema, das nach 75:15 durch einen Einschub unterbrochen wurde, wird hier wieder aufgenommen.[9]
75:22-25 - Wenn hier vom Gesicht die Rede ist, so ist das ein metonymischer Ausdruck für den ganzen Menschen. Bei den strahlenden Gesichtern ist an das Strahlen vor Glück gedacht. Die auf ihren Herrn schauen: Sie schauen ausschließlich (fixiert) auf ihren Herrn und auf nichts anderes. Dies ist der Sinn der Voranstellung des Objekts im Arabischen. Es ist indessen gewiss, dass die Menschen auf unbeschränkt viele und zahllose Dinge Schauen in einer Versammlung am Jüngsten Tage, in der alle Geschöpfe sich treffen. Die Gläubigen werden an jenem Tag ganz besonders schauen, da sie sich sicher fühlen und nicht in Furcht und Trauer Leben. Dass Allah (t) nun das Schauen der Gläubigen auf Sich allein beschränkt, wäre absurd, wenn Er etwas wäre, auf das man im buchstäblichen Sinne schauen kann. Folglich muss man dieses Schauen in einem Sinn auffassen, mit dem die Beschränkung des Angeschauten richtig zusammenpasst. Dieses richtig Passende ergibt sich, wenn man das Schauen in Verbindung mit folgender Redensart der Menschen sieht: "Ich schaue auf den und den in dem Gedanken, was er wohl an mir tun wird." Hier meint man nicht das buchstäbliche Sehen, sondern das Erwarten und Hoffen. Man hat gehört, wie eine Frau aus Sarw in Mekka um die Mittagszeit, da die Leute ihre Türen schließen und sich zu ihren Ruhestätten begeben, um eine Gabe bat und sagte: "Meine Augen schauen ein wenig auf Allah und auf euch." Somit ist der Sinn des vorliegenden Verses: Sie werden an jenem Tage Wohltat und Gunst ausschließlich von ihrem Herrn erwarten, genau wie sie ihre Furcht und Hoffnung im Diesseits nur auf Ihn gerichtet haben. Weil sie glauben: weil sie erwarten, dass ihnen etwas widerfahren wird, das so heftig und gräulich wie eine Wirbelsäulenerkrankung ist, das heißt wie eine Krankheit, die ihnen das Rückgrat zerbricht, genau wie die strahlenden Gesichter erwarten, dass ihnen jegliche Art von Gutem widerfahren wird.[10]
كَلَّا إِذَا بَلَغَتِ التَّرَاقِيَ ﴿٢٦﴾ وَقِيلَ مَنْ ۜ رَاقٍ ﴿٢٧﴾ وَظَنَّ أَنَّهُ الْفِرَاقُ ﴿٢٨﴾ وَالْتَفَّتِ السَّاقُ بِالسَّاقِ ﴿٢٩﴾ إِلَىٰ رَبِّكَ يَوْمَئِذٍ الْمَسَاقُ ﴿٣٠﴾ فَلَا صَدَّقَ وَلَا صَلَّىٰ ﴿٣١﴾ وَلَـٰكِن كَذَّبَ وَتَوَلَّىٰ ﴿٣٢﴾ ثُمَّ ذَهَبَ إِلَىٰ أَهْلِهِ يَتَمَطَّىٰ ﴿٣٣﴾ أَوْلَىٰ لَكَ فَأَوْلَىٰ ﴿٣٤﴾ ثُمَّ أَوْلَىٰ لَكَ فَأَوْلَىٰ ﴿٣٥﴾ أَيَحْسَبُ الْإِنسَانُ أَن يُتْرَكَ سُدًى ﴿٣٦﴾ أَلَمْ يَكُ نُطْفَةً مِّن مَّنِيٍّ يُمْنَىٰ ﴿٣٧﴾ ثُمَّ كَانَ عَلَقَةً فَخَلَقَ فَسَوَّىٰ ﴿٣٨﴾ فَجَعَلَ مِنْهُ الزَّوْجَيْنِ الذَّكَرَ وَالْأُنثَىٰ ﴿٣٩﴾ أَلَيْسَ ذَٰلِكَ بِقَادِرٍ عَلَىٰ أَن يُحْيِيَ الْمَوْتَىٰ ﴿٤٠﴾
„Ja! Wenn (die Seele eines Sterbenden) bis zum Schlüsselbein emporsteigt (26) und gesprochen wird: „Wer kann die Zauberformel sprechen, (um sie zu retten)?“ (27) und er (der Mensch) wähnt, dass (die Stunde des) Abschieds gekommen ist (28) und sich Bein mit Bein (im Todeskampf) verfängt (29), dann wird an jenem Tage das Treiben zu deinem Herrn sein (30); denn er spendete nicht und betete nicht (31), sondern er leugnete und wandte sich (von Ihm) ab. (32) Dann ging er mit stolzem Gang zu den Seinen. (33) „Wehe dir denn! Wehe! (34) Und abermals wehe dir! Und nochmals wehe!“ (35) Meint der Mensch etwa, er würde sich selber überlassen sein? (36) War er nicht ein Tropfen Sperma, der ausgestoßen wurde? (37) Dann wurde er ein Blutklumpen; dann bildete und vervollkommnete Er (ihn). (38) Alsdann erschuf Er aus ihm ein Paar, den Mann und die Frau. (39) Ist Er denn nicht imstande, die Toten ins Leben zu rufen?“ (Der edle Koran 75:26-40)
75:26-30 - Dies ist eine Szene aus der Todesstunde, wenn die Seele dabei ist, den sterbenden Körper zu verlassen und der Sterbende mit dem Tod ringt. Während seine Angehörigen voller Sorge ratlos um ihn stehen und eine nach ihrem falschen Glauben eine "Zauberformel sprechen", so können sie ihn weder am Leben erhalten, noch ihm seinen Todeskampf ersparen.[11]
75:31-32 - Dieser Einschub ist notwendig für das Verständnis des Folgenden und beruht auf 4:1718.[12]
75:33-40 - Zum Ende dieser wunderbaren Sure wird vor Hochmut und Selbstherrlichkeit gewarnt; denn beide sind die Wurzeln des Übels. Sind diese beiden Eigenschaften nicht ein Merkmal Satans, der sich gegenüber seinem Herrn auflehnte?[13] Hat der Mensch jemals über seine Entstehung nachgedacht?[14] Ist er, der sich gegen seinen Herrn wie ein Satan auflehnt, nicht der, der einst ein Samentropfen und später ein "Blutklumpen" im Leibe seiner Mutter war?[15] Ist der Erhabene Schöpfer, Der dies zustande gebracht hat, nicht in der Lage, die Toten ins Leben zu rufen und allesamt zur Rechenschaft zu ziehen? Gepriesen sei Er, Der Allmächtige Gott.[16]
Alles Lob gebührt Allah, Dem Herrn der Welten.
[1] vgl. 74:32-37 und die Anmerkung dazu
[2] vgl. dazu 12:53; 70:40; 89:27
[3] vgl. 14:42; 17:49
[4] vgl. Übersetzung des BavariaVerlags, die in diesem Werk vorrangig vorkommt
[5] vgl. dazu 39:69
[6] vgl. Übersetzung des BavariaVerlags, die in diesem Werk vorrangig vorkommt
[7] vgl. dazu 24:24; 36:65; 41:20-22
[8] Az-Zamaḫšaryy / Gätje, Helmut: Koran und Koranexegese, Zürich, Stuttgart 1971 / vgl. 20:113-114 und die Anmerkung dazu