DAS KALIFAT IM ISLAM

27-12-2020

Das Kalifat im Islam

 

Das Kalifat ist eine allgemeine Führerschaft für alle Muslime auf der Welt, um die Gesetze des islamischen Rechts durchzuführen und die islamische Botschaft in die Welt zu tragen. Das Kalifat entspricht exakt dem Imamat. Diese beiden Ausdrücke stellen Synonyme dar. In den authentischen Hadisen werden beide Begriffe in ein und derselben Bedeutung verwendet, nirgendswo wiedersprechen die sich. Dies gilt auch beispielsweise für den Koran und die Sunna, sie allein bilden das göttliche Recht. Die Ernennung eines Kalifen ist für alle Muslime eine Pflicht. Und die Erfüllung dieser Pflicht -gleich der Erfüllung jeder anderen Pflicht, die Allah den Muslimen vorgeschrieben hat- ist eine erforderlich und notwendige Aufgabe, die keinesfalls vernachlässigt werden darf. Jede Vernachlässigung dieser Pflicht stellt eine der größten Sünden dar, die Allah aufs härteste bestrafen wird. Der Beweis für die Ernennung eines Kalifen ist der Koran, die Sunna und der Konsens der Prophetengefährten (Ijma Sahaba). Was den Koran betrifft, so hat Allah dem Propheten (صلى الله عليه و سلم)befohlen, unter den Muslimen nach dem zu richten bzw. mit dem zu urteilen, was Er herabgesandt hat. Allah sagt im edlen Koran: 

فَاحْكُم بَيْنَهُم بِمَا أَنزَلَ اللَّـهُ ۖ وَلَا تَتَّبِعْ أَهْوَاءَهُمْ عَمَّا جَاءَكَ مِنَ الْحَقِّ ۚ

„(…) So richte zwischen ihnen nach dem, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was dir von der Wahrheit zugekommen ist. (…)“ (Der edle Koran 5:48)

 

وَأَنِ احْكُم بَيْنَهُم بِمَا أَنزَلَ اللَّـهُ وَلَا تَتَّبِعْ أَهْوَاءَهُمْ وَاحْذَرْهُمْ أَن يَفْتِنُوكَ عَن بَعْضِ مَا أَنزَلَ اللَّـهُ إِلَيْكَ ۖ

„Und so richte zwischen ihnen nach dem, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen, sondern sieh dich vor ihnen vor, dass sie dich nicht der Versuchung aussetzen (abzuweichen) von einem Teil dessen, was Allah zu dir (als Offenbarung) herabgesandt hat! (…)“ (Der edle Koran 5:49)

Eine Ansprache, die an den Propheten gerichtet wurde, ist gleichzeitig eine Ansprache an seine gesamte Umma, solange kein Rechtsbeleg ergangen ist, der die Ansprache auf ihn alleine beschränkt. Hier ist kein solcher Spezifizierungsbeleg ergangen, sodass die Ansprache an alle Muslime gerichtet ist, die Herrschaft des Islams zu errichten. Die Ernennung eines Kalifen bedeutet nichts anderes als die Errichtung der Regierung und der Herrschaft. Darüber hinaus schreibt Allah den Muslimen vor, demjenigen, der die Befehlsgewalt innehat, zu gehorchen. Dies belegt, dass die Existenz eines Herrschers für die Muslime verpflichtend ist. So sagt Allah: 

يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا أَطِيعُوا اللَّـهَ وَأَطِيعُوا الرَّسُولَ وَأُولِي الْأَمْرِ مِنكُمْ ۖ

„O die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Befehlshabern unter euch!“(Der edle Koran 4:59)

Allah würde niemals den Gehorsam gegenüber jemandem verlangen, der gar nicht existiert. Somit ist der Vers gleichzeitig ein Beleg dafür, dass die Einsetzung eines Befehlshabers verpflichtend ist. Wenn Allah befiehlt, den „Befehlshabern“ zu gehorchen, ist es gleichzeitig ein Befehl dafür, diese zu ernennen. Denn die Existenz des Befehlshabers hat die Durchführung des Rechtsspruches (den Gehorsam ihm gegenüber) und seine Nichtexistenz dessen Aussetzung zur Folge. Somit ist die Ernennung eines Befehlshabers Pflicht um die Scharia zu praktizieren, den seine Nichtexistenz führt zur Aussetzung der Scharia.

In einer anderen Überlieferung berichtet A´raj über Abu Huraira, dass der Prophet (صلى الله عليه و سلم) sagte:

إنما الإمام جنة يقاتل من ورائه ويتقى به

„Der Imam ist ein Schild, man kämpft hinter ihm und schützt sich durch ihn.“ (Muslim)

 

Von Abu Hazm wird berichtet, dass dieser sagte: „Ich saß fünf Jahre bei Abu Huraira und hörte ihn vom Propheten (صلى الله عليه و سلم) berichten, der sagte:

كانت بنو إسرائيل تسوسهم الأنبياء، كلما هلك نبي خلفه نبي، وإنه لا نبي بعدي، وسيكون خلفاء فيكثرون، قالوا: يا رسول الله، فما تأمرنا؟ قال: أوفوا ببيعة الأول فالأول، أعطوهم حقهم، فإن الله سائلهم عما استرعاهم  

„Das Volk Israel ist stets von Propheten betreut worden. Immer wenn ein Prophet starb, folgte ihm ein anderer. Nach mir wird es aber keinen Propheten mehr geben. Es werden aber Kalifen kommen und deren Zahl wird groß sein.“ Sie fragten: „O Gesandter Allahs, was befiehlst du uns?“ Er antwortete: „Erfüllt die Bay´a des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihr Recht, denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was Er in ihre Obhut gelegt hat.“ (Buchari)

 

Ibn Abbas (Rh.a) berichtet dass der Gesandte Allahs (صلى الله عليه و سلم) sagte:

من كره من أميره شيئا فليصبر عليه فإنه ليس أحد من الناس خرج من السلطان شبرا فمات عليه إلا مات ميتة جاهلية

„Wem etwas von seinem Amir[1] missfällt, der soll sich in Geduld üben. Denn wer auch immer sich von der Herrschaft um eine Handspanne entfernt und stirbt, der stirbt den Tod der Jahiliyya!“ (Muslim)

 

Aus diesen Hadisen sind viele Lehren, Verbote und Gebote zu ziehen. Die Beschreibung des Kalifen/Imam beispielsweise als Schild, d.h. Schutz, gibt Auskunft über den Nutzen seiner Existenz. Wenn die Berichte, die von Allah und dem Propheten stammen, eine Missbilligung enthalten würden, würden sie eine Unterlassungsaufforderung darstellen, d.h. eine Untersagung. Beinhalten sie hingegen ein Lob, so stellen sie eine Handlungsaufforderung dar. Deshalb handelt es sich hierbei um eine Aufforderung. Sollte von der geforderten Handlung die Errichtung des islamischen Gesetzes abhängen, bzw. von deren Unterlassung dessen Verlust, so ist diese Aufforderung zwingender, unwiderleglicher Natur. Zudem geben die Hadise Auskunft darüber, dass es die Kalifen sind, welche die Muslime betreuen und leiten, was den Befehl zu ihrer Ernennung miteinschließt und dass es für den Muslim verboten ist, sich von der Staatsgewalt zu trennen, was bedeutet, dass die Errichtung der Staatsgewalt eine Pflicht für den Muslim darstellt. Des Weiteren ist die Ernennung eines Kalifen Pflicht und der Schutz seiner Autorität als Kalif muss gewährleistet sein. Muslim berichtet, dass der Prophet (صلى الله عليه و سلم) sprach:

وَمَنْ بَايَعَ إِمَامًا فَأَعْطَاهُ صَفْقَةَ يَدِهِ ، وَثَمَرَةَ قَلْبِهِ ، فَلْيُطِعْهُ إِنِ اسْتَطَاعَ ، فَإِنْ جَاءَ آخَرُ يُنَازِعُهُ فَاضْرِبُوا عُنُقَ الْآخَرِ

„Wer einem Imam die Bay´a leistet, ihm seine Hand und das Innere seines Herzens reicht, dem soll er Gehorsam leisten. Wenn ein anderer kommt und ihm die Herrschaft streitig macht, so schlagt dem Letzteren den Kopf ab.“

Der Befehl, dem Imam zu gehorchen ist auch gleichzeitig ein Befehl, ihn zu ernennen.[2] Und der Befehl, jeden Widersacher zu bekämpfen, ist ein juristisches Indiz für das zwingende Gebot, die Präsenz eines einzigen Kalifen dauerhaft zu erhalten. Was den Konsens der Prophetengefährten (Ijma Sahaba) betrifft, so waren sich alle Sahaba über die Notwendigkeit einig, einen Nachfolger (Kalifen) für den Propheten (صلى الله عليه و سلم) nach dessen Tod zu bestimmen. Sie waren sich auch darüber einig, einen Nachfolger für Abu Bakr (Rh.a), dann für Umar (Rh.a) und schließlich für Uthman (Rh.a) zu ernennen. Um die Übereinstimmung (Konsens) der Gefährten zu untermauern und die Notwendigkeit eines islamischen Führers zu verinnerlichen, ist die Tatsache, dass die Gefährten die Bestattung des Gesandten Allahs (صلى الله عليه و سلم) verzögerten, weil sie mit der Ernennung eines Kalifen beschäftigt waren. Die Gefährten des Propheten waren sich bewusst, dass die Bestattung eines Toten eine Pflicht darstellt und jegliche Beschäftigung derjenigen, die zur Vorbereitung der Bestattung verpflichtet sind, verboten ist, bis die Bestattung vollzogen wurde. Ein Teil der Sahaba, der sich eigentlich um die Bestattung des Propheten kümmern musste, war damit beschäftigt, einen Kalifen zu ernennen während der andere Teil dieses Verhalten duldete und sich ebenfalls an die Verzögerung des Begräbnisses beteiligte. Zwei ganze Nächte dauerte dieses Ereignis an. Die Sahaba waren beschäftigt einen Kalifen zu ernennen statt den Propheten zu begraben. Der zweite Teil der Sahaba war eigentlich im Stande, das Begräbnis selbst durchzuführen, jedoch haben sie mit ihr Verhalten auf die Wichtigkeit des Kalifen/eines Führers hingewiesen. Daraus erfolgt die Übereinstimmung der Gefährten (Ijma), dass die Beschäftigung mit der Ernennung eines Kalifen dem Begraben eines Toten vorzuziehen ist. Dies kann aber nur dann legitim sein, wenn die Ernennung eines Kalifen eine höhere Pflicht darstellt als das Bestatten eines Toten. Der Konsens der Prophetengefährten stellt somit einen klaren und starken Beweis für die Verpflichtung dar, einen Kalifen zu ernennen. Es gab zwischenzeitlich Meinungsunterschiede über die jeweilige Person, die zum Kalifen gewählt werden soll, jedoch waren sie niemals über die Tatsache uneinig, dass ein Kalif ernennt werden muss, weder nach dem Tode des Gesandten Allahs (صلى الله عليه و سلم) noch nach dem Tode irgendeines der rechtgeleiteten Kalifen.

Die Aufrechterhaltung der Glaubensordnung und der Vollzug der islamischen Gesetze bilden in allen Angelegenheiten des diesseitigen und jenseitigen Lebens eine Verpflichtung für alle Muslime. Das geht klar aus definitiv feststehenden und eindeutigen Beweisen hervor. Die Erfüllung dieser Pflicht ist aber nur durch einen Herrscher möglich, der über die notwendige Befehlsgewalt verfügt. Das islamische Rechtsprinzip lautet: „Was zur Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht!“. Somit stellt die Ernennung eines Kalifen auch von diesem Aspekt her eine Pflicht dar. Dies sind klare Beweise, dass die Muslime verpflichtet sind, aus ihren Reihen die Regentschaft und Herrschaft zu errichten, indem sie einen Kalifen ernennen der die Staatsgewalt ausübt, und zwar um die islamischen Rechtssprüche durchzuführen, nicht bloß der Macht und Herrschaft willen. Der Prophet (صلى الله عليه و سلم) sagt:

خيار أئمتكم الذين تحبونهم ويحبونكم ويصلون عليكم وتصلون عليهم وشرار أئمتكم الذين تبغضونهم ويبغضونكم وتلعنونهم ويلعنونكم قيل يا رسول الله أفلا ننابذهم بالسيف فقال لا ما أقاموا فيكم الصلاة وإذا رأيتم من ولاتكم شيئا تكرهونه فاكرهوا عمله ولا تنزعوا يدا من طاعة

„Die Besten unter euren Imamen sind diejenigen, die ihr liebt und die euch lieben, die für euch beten und für die ihr betet. Und die Schlimmsten unter euren Imamen sind jene, die ihr hasst und die euch hassen, die ihr verflucht und die euch verfluchen.“ Es wurde gefragt: „O Gesandter Allahs, sollen wir sie nicht mit dem Schwerte bekämpfen?“ Er antwortete: „Nein, solange sie das Gebet unter euch aufrecht halten. Und wenn ihr von euren Herrschern etwas seht, was euch missfällt, so missbilligt ihre Handlung, doch zieht keine Hand aus dem Gehorsam!“ (Muslim)

 

Hier wird deutlich über die besten und schlimmsten Imame bzw. Führer berichtet. Zwischen den Zeilen übermittelt uns der Prophet (صلى الله عليه و سلم), dass die Umma sowohl gute als auch schlechte Führer haben wird, in beiden Fällen ist es aber verboten mit dem Schwerte gegen sie vorzugehen, solange sie den Islam aufrecht halten. Die Aufrechterhaltung des Gebets ist nämlich auch gleichzeitig die Aufrechterhaltung des Islams und das Regieren nach Seinen Gesetzen. Durch die authentischen Überlieferungen wurde die Pflicht zur Ernennung eines Kalifen eindeutig belegt.

 

[1] Allgemeine arabische Bezeichnung für den Befehlshaber bzw. Herrscher

 

[2] Der Gesetzgeber wird nicht befehlen, jemandem zu gehorchen, der gar nicht existent ist

 


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