DEBATTE ÜBER DEN BAU VON MOSCHEEN - ANTIMUSLIMISCHER RASSISMUS

22-08-2024

Debatte über den Bau von Moscheen

Beim Neubau von Moscheen in Deutschland entstehen immer wieder Konflikte, die teils höchst kontrovers ausgetragen werden und hierbei ein großes Maß medialer Wirksamkeit erreichen. Die Argumente gegen die Errichtung einer Moschee sind vielfach Ausdruck antimuslimischer Haltungen. In besonderer Weise sorgen repräsentative Moscheeneubauten für heftige Auseinander setzungen, also vor allem jene zehn Prozent der deutschen Moscheen, die über eine Kuppel bzw. ein Minarett verfügen und damit als islamische Bauten erkennbar sind (vgl. Schmitt/Klein 2019). Mehrheitlich befinden sich Moscheen und Moscheevereine in Deutschland jedoch noch immer in umfunktionierten Gewerberäumen, Fabrik- und Lagerhallen, Ladenlokalen oder ähnlichen Gebäuden (vgl. Stoop 2017). Die deutschlandweite Herausbildung von Moscheevereinen begann in den 1970er-Jahren, aber nur ca. 20 Prozent der Musliminnen und Muslime sind hierzulande verbandlich organisiert, wobei verlässliche Zahlen nur schwer zu erheben sind (vgl. Rohe 2018: 117–125).

Repräsentative Moscheen sind für Moscheegegner*innen in besonderer Weise Ausdruck der von ihnen befürchteten „Islamisierung des christlichen Europas“ und werden in dieser Deutungslinie als Streben nach Dominanz bzw. territorialem Machtanspruch durch ‚den Islam‘ interpretiert. Grundsätzlich sind Moscheebaukonflikte kein neues Phänomen (vgl. Leggewie 2009). Bereits in den 1990er-Jahren wurden sie in den bundesweiten Medien aufgegriffen, wobei sich hinsichtlich der Pro- und Contra-Argumentationsweisen und diskutierten Themen kaum Unterschiede zu jüngeren Auseinandersetzungen zeigen (vgl. Schmitt 2012: 191–192). Unterschieden werden können mit Schmitt vier – ineinander verwobene – Ebenen des Konflikts: eine raumbezogen-städtebauliche, eine ethnisch-kulturelle, eine religions- und eine kommunikationsbezogene Konfliktdimension, wobei in der Regel das baurechtliche Prozedere den Konfliktablauf bestimmt (ebd.: 193; Stoop 2017: 321). Zur ersten Ebene zählen Einwände von Anwohner*innen wie z. B. zugeparkte Parkplätze im Ramadan, Lärmbelästigung durch Veranstaltungen in der Moschee oder die vermeintlich drohende Herausbildung von Parallelgesellschaften. Diese Einwände sind oft emotional und politisch aufgeladen (vgl. Stoop 2017: 321). Hinsichtlich der zweiten Ebene zu nennen ist z. B. die Furcht der Gegner*innen vor einer ‚Orientalisierung‘ des eigenen Stadtviertels und ihr Argument, die ‚fremde‘ Architektur füge sich nicht in das Stadtbild ein (vgl. Schmitt 2012: 193). Die dritte Ebene thematisiert das Verhältnis zwischen der Religion des Islams bzw. der islamischen Organisationen und dem säkularen Staat, aber auch das Verhältnis der Religionen untereinander; so wird zur Verhinderung eines Moscheebaus vielfach behauptet, der Islam sei eine antidemokratische, totalitäre oder auch eine antichristliche Religion (vgl. Schmitt 2012: 195). In dieser Linie werden z. B. auch die Predigtsprache oder vermeintliche islamistische Umtriebe thematisiert (vgl. Stoop 2017: 321). Die kommunikationsbezogene Konfliktdimension umfasst die Prozesse der medialen Vermittlung. Die Art und Weise der Berichterstattung ist für den Verlauf von Moscheebaudebatten von sehr großer Bedeutung, wie auch erste Studien zur medialen Repräsentation von Moscheedebatten zeigen (vgl. Stoop 2017: 323). 
 

Hierbei kommen die bereits benannten Einwände der Gegner*innen zu Sprache, darüber hinaus aber auch die Frage der Finanzierung der Moschee und Themen wie Fundamentalismus, Sexismus und Terrorismus (vgl. detaillierte Themenfrequenzanalyse bei Stoop 2014). In diesem Rahmen werden Muslim*innen als Problem benannt, in Gegensatz zur deutschen Gesellschaft gesetzt und damit in den Kontext einer vielfach negativen Berichterstattung über ‚den Islam‘ eingeordnet, innerhalb derer über Muslim*innen überwiegend in rassifizierten Bildern gesprochen wird (vgl. Stoop 2017: 323). Auch wenn nach Analyse des UEM manche Lokalzeitungen sich durchaus um eine Einbringung von Alltäglichem bemühen (s. Unterkapitel ↗ 7.1.3), geht Stoop von einer Tendenz zur „medientypische[n] De-thematisierung des Alltäglichen“ (Stoop 2017: 324) aus. Er sieht religiöse Fragen, alltägliche Abläufe oder das soziale Engagement der Gemeinden hier nicht erwähnt, was zur Aufladung und Zuspitzung der Konflikte beitrage (vgl. Stoop 2014: 117) – denn die Konfliktthemen verhandeln weniger Sachfragen als vielmehr Fragen der Anerkennung (vgl. Stoop 2017: 324).

Von zentraler Bedeutung ist neben der medialen die politische Vermittlung. Hierfür sind die Einstellungen der politisch Verantwortlichen vor Ort (Stadtverwaltung und- rat, Bürgermeister*in) von großer Bedeutung, damit ein Bauvorhaben gelingen kann und auch akzeptiert wird. Treten die lokalen Akteur*innen für den Moscheebau ein, stehen seine Chancen gut, sofern nicht noch andere Konflikte bestehen (z. B. interne Konflikte der Moscheegemeinde, Konflikte zwischen Moscheegemeinden oder aufgrund der Architektur). Entscheidend für die Zustimmung der Bevölkerung zum Bauprojekt ist somit neben der öffentlichen Debatte auch die Haltung der politischen Akteur*innen (vgl. Stoop 2017: 322–323).

Der Bau der Kölner Zentralmoschee kann als ein typisches Beispiel für Widerstände gegen die Errichtung von Moscheen gelten. Die regionalen, nationalen und internationalen Medien berichteten seit 2002 in dichter Folge über den Bau und seine Planung, die bereits 1992 erstmals im Kölner Stadtrat thematisiert wurde (vgl. Lindner 2008;Stoop 2014). Im Jahr 2005 übernahm die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) als alleinige Trägerin die Verantwortung für den Neubau. Bereits 1996 hatte sich die sogenannte Bürgerbewegung „Pro Köln“ gegründet, die erst durch die bundesweite Medienberichterstattung über den von ihr organisierten Protest gegen den Bau der Moschee in Köln-Ehrenfeld bekannt und bedeutsam wurde (vgl. Überall 2010: 8). Im Jahr 2004 zog die Initiative mit dem Wahlspruch „Keine Großmoschee!“ in den Kölner Stadtrat ein mit dem Ziel, „die Islamisierung des Stadtbezirks [zu] verhindern“, und bediente sich gezielt eines dichotomen Musters (‚Wir‘ vs. ‚die Anderen‘), das Personen muslimischen Glaubens abwertet (Bozay 2008: 199). Im Frühsommer 2007 versuchte Pro Köln, verschiedene Bürger*innenversammlungen und Diskussionsveranstaltungen als Bühne für ihre extrem rechte Propaganda zu missbrauchen, meistens wurden die Rechtsextremen jedoch schnell des Saals verwiesen und erhielten wenig Zustimmung. Die teils heftig geführten Debatten rückten den Konflikt allerdings zunehmend ins öffentliche Interesse. 2018 wurde die Moschee schließlich in Anwesenheit des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan eröffnet. Zum einen war der Rahmen der Widerstände gegen den Moscheebau also wesentlich durch die in der bürgerlichen Gesellschaft äußerst weit verbreiteten islamfeindlichen Haltungen bestimmt (vgl. K. Hafez 2013b: 106–162), zum anderen ging es in Köln aber auch um die Rolle der DITIB bzw. der türkischen Regierung.

Neben der Sichtbarkeit war in Köln jüngst auch die Hörbarkeit der muslimischen Glaubenspraxis umstritten: Der gegen Widerstände aus der Bevölkerung eröffneten Kölner DITIB-Zentralmoschee wurde im Oktober 2022 der fünfminütige öffentliche „Muezzinruf“ zum Freitagsgebet gestattet, wie er auch an anderen, v. a. kleineren Orten in Deutschland durchaus üblich ist. Dass die Kölner Moschee aufgrund ihrer besonderen Sichtbarkeit und der vielfachen Kritik an der Verwobenheit der DITIB mit den Interessen des türkischen Staats öffentlich eine andere Aufmerksamkeit erfährt als kleinere Moscheen in ländlichen Regionen, erstaunt nicht. In Erfurt hingegen wurde für den derzeitigen, von Protesten begleiteten Bau der Ahmadiyya-Moschee die Auflage erteilt, den Gebetsruf vom Minarett zu unterlassen (vgl. Migazin 2023). Jedoch besagen diese Streitigkeiten kaum etwas über den rechtlichen Sachverhalt, denn der Gebetsruf fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit (Art. 4 GG) (vgl. Rohe 2021; vgl. a. Unterkapitel ↗ 4.5). Die üblichen Lagerbildungen zur Frage des Gebetsrufs übertönen dies jedoch und die Aufladung der diesbezüglichen Debatten steht kaum in Relation zur faktisch geringen Relevanz des Muezzinrufs für muslimische Gläubige, denen in aller Regel z. B. eine App als Erinnerung an die Gebetszeit genügt. Die Debatten um den Gebetsruf stellen insofern letztlich Scheindiskussionen dar, die den Blick auf die echten, weit größeren Herausforderungen für Muslim*innen in Deutschland verstellen (vgl. Cheema/Mendel 2022).

Es ist festzuhalten, dass Moscheebaukonflikte, bei denen Islam- und Muslimfeindlichkeit wirksam wird, gegenwärtig vor allem um repräsentative Neubauten, meist in Großstädten, entstehen. Zu ihrer Vermeidung oder Eingrenzung ist primär eine gute lokalpolitische Vermittlung und deren mediale Begleitung hilfreich.

 

Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz
Bundesministerin des Innern und für Heimat


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