16-12-2017
Für Donald Trump ist es ein Wahlversprechen, für die religiöse Rechte eine erfüllte Prophezeiung: Die USA verlegen ihre Botschaft nach Jerusalem. Die Entscheidung zeigt die neue Macht der Evangelikalen, einer starken Gruppe mit fragwürdigen Interessen.
"Drei unreine Geister aus dem Maul des Tiers und des falschen Propheten führen die Könige zu Harmagedon zum Kampf am großen Tag Gottes." So prophezeit die Johannes-Offenbarung in der Bibel den letzten, endgültigen Krieg zwischen Gut und Böse.
Der Begriff "Armageddon" für das Weltenende hat Eingang in die Umgangssprache gefunden - auch in die Popkultur, nicht zuletzt durch den Kinofilm von 1998, in dem Bruce Willis die Erde vor einem heranrauschenden Meteoriten rettet.
Es gibt Menschen, die nehmen diese Bibelstelle wörtlich: Die Evangelikalen in den USA, eine der größten religiösen Gruppen im Land, und die treuesten Unterstützer von Präsident Donald Trump.
Für sie ist der Tag der großen Schlacht von Harmagedon vergangene Woche näher gerückt - mit Trumps Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.
Jeder vierte US-Amerikaner versteht sich selbst als Evangelikale, als "born-again Christian".
Wie in allen religiösen Bekenntnissen unterscheiden sich die Anhänger in ihren Ansichten und der Ausübung des Glaubens.
Aber für sie alle spiele Israel eine große Rolle, sagt Anja-Maria Bassimir, Religionswissenschaftlerin von der Universität Mainz, im Gespräch mit unserer Redaktion.
In Israel befindet sich das Heilige Land, hier wurde Jesus Christus geboren, hier litt er am Kreuz, und hierhin wird er nach dem Glauben der Evangelikalen zurückkehren.
Jerusalem ist für sie der Ort, an dem sich der Plan Gottes zeigt. Und ausgerechnet Donald Trump ist sein Erfüllungsgehilfe. Ein Mann, der nicht gerade ihren Vorstellungen eines gottesfürchtigen Mannes entspricht, aber ihre Agenda im Weißen Haus umsetzt.
Die Evangelikalen gelten als relativ heterogene Gruppe, sie sind eher lose organisiert, oft nur in ihren Kirchengemeinden, wenn überhaupt.
Sie teilen allerdings vier Hauptmerkmale: das persönliche Verhältnis zu Jesus Christus als Erretter, die wörtliche Auslegung der Bibel, die große Rolle der Missionierung und das Bekehrungserlebnis.
Vizepräsident Mike Pence erzählt gern, dass er sich bei einem Musikfestival in Kentucky vom katholischen Glauben seiner Familie löste: "Ich widmete mein Leben Jesus Christus, und das hat alles geändert."
Pence gilt als Vertreter der Fundamentalisten, also der Hardliner. Sie wenden sich strikt gegen Abtreibungen, sehen Homosexualität als Perversion und legen die Bibel wortgetreu aus.
Der überwiegende Teil der Evangelikalen wird zum Mainstream-Lager gezählt, aus europäischer Sicht noch immer stramme Konservative. "Homosexualität als Sünde, das ist common sense, dahinter gehen die wenigsten zurück", sagt Anja-Maria Bassimir.
Allerdings gerate oft aus dem Blick, dass es auch andere, modernere Evangelikale gibt: "Die Jüngeren sind mehrheitlich weltoffener, die sind auch politisch nicht so sehr an Israel interessiert. Es gibt auch viele schwarze Evangelikale, viele aus Asien, aus Lateinamerika. Das ändert natürlich die politischen Interessen."
Die Soziologin Maren Freudenberg von der Universität Bochum betont ebenfalls die Vielschichtigkeit der Evangelikalen: "Aber trotz ihrer internen Heterogenität können sie Wahlen entscheiden."
Die weißen Evangeliken stimmten bei den Präsidentschaftswahlen zu 81 Prozent für Donald Trump und bildeten damit einen wichtigen Rückhalt für seine Kampagne.
Dabei haderten viele Gläubige mit dem Mann, der damit prahlt, Frauen an die "Pussy" zu greifen, zum dritten Mal verheiratet ist, körperlich behinderte Menschen verspottet und Bibelverse falsch zitiert.
Die Meinungsführer aber schwangen sich auf seine Seite und verteidigten ihn: "Dieser Donald Trump ist längst ein anderer. Und natürlich: Als Christ glaube ich an die Erlösung. Und an zweite Chancen, an dritte Chancen und vierte Chancen", sagt etwa Richard Land, Präsident des Southern Evangelical Seminary.
Im Austausch für die Unterstützung haben die Evangelikalen nun Zugang zum Weißen Haus, die "New York Times" hat Trump jüngst als das Trojanische Pferd der Evangelikalen bezeichnet. "Meiner Meinung nach sind sie in der Politik mächtiger denn je", sagt Maren Freudenberg von der Universität Bochum. "Trump ist teilweise weniger wichtig als die Leute, mit denen er sich umgibt."
Das umschließt nicht nur die Evangelikalen im Kabinett wie Vizepräsident Mike Pence und Bildungsministerin Betsy DeVos.
Im "Presidential Evangelical Advisory Board" hat die TV-Predigerin Paula White für ihn einige der bekanntesten Führer der christlichen Rechten versammelt.
Trump pflegt die enge Verbindung ganz offen, ein bekanntes Foto zeigt ihn inmitten von Geistlichen, im Gebet versunken.
Trump betet nicht nur mit den Evangelikalen, er trifft auch Entscheidungen ganz nach ihrem Geschmack.
Er hat mit Neil Gorsuch einem Erzkonservativen den vakanten Posten am Supreme Court verschafft, hat gegen die Aufnahme von Transsexuellen ins US-Militär gekämpft und Gelder für Organisationen gekappt, die im Ausland Frauen bei Abtreibungen beraten.
Im April ergab eine Umfrage, dass die weißen Evangelikalen zu 78 Prozent mit Trumps Amtsführung zufrieden oder sehr zufrieden waren.
Auch die Entscheidung pro Jerusalem als Hauptstadt Israels war ein Wahlversprechen an die Evangelikaner, das Trump nun eingelöst hat.
Die Soziologin Maren Freudenberg meint, dass nicht jeder Evangelikale die Jerusalem-Entscheidung befürworte. Aber: "Die konservativeren Kreise sicher schon."
Für die Fundamentalisten geht es dabei nicht um Politik, nicht um den Nahost-Konflikt – sondern nur um die Johannes-Offenbarung: Sie kommt näher, wenn in und um Jerusalem gekämpft wird.
Die sogenannten "Prä-Millenialisten" gehen davon aus, dass erst dann Jesus hinabsteigen und das Goldene Zeitalter einläuten kann.
Wenn diese religiöse Deutung die Außenpolitik bestimmt, wird es gefährlich - sie sehnt einen Krieg herbei, so wie in den 80er-Jahren, als radikale Evangelikale den Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion als den Auftakt zum Armageddon interpretierten.
Wie groß der Einfluss der Evangelikalen auf Trump wirklich ist, vermag die Religionswissenschaftlerin Anja-Maria Bassimir nicht zu sagen.
Sie beobachtet, dass einige Entscheidungen auch Kritik hervorgerufen haben: "Die Einwanderungspolitik wurde nicht gerade begeistert aufgenommen. Der Tenor war: Wir müssen uns schützen, aber auch missionieren, also auch Menschen in unser Land holen."
Bassimir sieht die Religionsgemeinschaft an einem Scheidepunkt: "Gibt es einen Rechtsruck, und alle machen mit?"
Ihre Kollegin Maren Freudenberg ordnet die Evangelikalen in die politischen Bewegungen der weißen Mittelschicht ein, die in Europa zum Erstarken der Rechtspopulisten geführt hat.
In den USA geraten sie in Widerstreit mit den oftmals atheistischen oder weniger strenggläubigen Verfechtern einer pluralistischen Gesellschaft: "Die Fronten verhärten sich gerade, das wirkt sich politisch aus. Die Republikaner sind tendenziell religiöser, die Demokraten kommunizieren wenig religiöse Toleranz und haben kein gutes Ansehen bei religiösen Wählern."
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