08-04-2021
Moral im Islam
Der Islam hat gewisse allgemeingültige grundlegende Richtlinien für die Menschheit als Ganzes aufgestellt, welche unter allen Umständen zu befolgen und zu respektieren sind. Um diese Richtlinien einzuhalten, werden nicht nur gesetzliche Sicherheiten, sondern auch ein wirkungsvolles moralisches System bestimmt. Demzufolge ist im Islam moralisch gut, was immer zum Wohlergehen des Einzelnen oder der Gesellschaf führt, und moralisch schlecht ist alles Schändliche. Im Islam ist die Liebe zu Allah und die Liebe zu Menschen von großer Bedeutung, sodass vor zu viel Formalismus gewarnt wird. So sagt Allah im Koran:
لَّيْسَ الْبِرَّ أَن تُوَلُّوا وُجُوهَكُمْ قِبَلَ الْمَشْرِقِ وَالْمَغْرِبِ وَلَـٰكِنَّ الْبِرَّ مَنْ آمَنَ بِاللَّـهِ وَالْيَوْمِ الْآخِرِ وَالْمَلَائِكَةِ وَالْكِتَابِ وَالنَّبِيِّينَ وَآتَى الْمَالَ عَلَىٰ حُبِّهِ ذَوِي الْقُرْبَىٰ وَالْيَتَامَىٰ وَالْمَسَاكِينَ وَابْنَ السَّبِيلِ وَالسَّائِلِينَ وَفِي الرِّقَابِ وَأَقَامَ الصَّلَاةَ وَآتَى الزَّكَاةَ وَالْمُوفُونَ بِعَهْدِهِمْ إِذَا عَاهَدُوا ۖ وَالصَّابِرِينَ فِي الْبَأْسَاءِ وَالضَّرَّاءِ وَحِينَ الْبَأْسِ ۗ أُولَـٰئِكَ الَّذِينَ صَدَقُوا ۖ وَأُولَـٰئِكَ هُمُ الْمُتَّقُونَ ﴿١٧٧﴾
„Nicht darin besteht die Güte, dass ihr eure Gesichter gegen Osten oder Westen wendet. Güte ist vielmehr, dass man an Allah, den Jüngsten Tag, die Engel, die Bücher und die Propheten glaubt und vom Besitz – obwohl man ihn liebt – der Verwandtschaft, den Waisen, den Armen, dem Sohn des Weges, den Bettlern und für (den Loskauf von) Sklaven hergibt, das Gebet verrichtet und die Abgabe entrichtet; und diejenigen, die ihre Verpflichtung einhalten, wenn sie eine eingegangen sind, und diejenigen, die standhaft bleiben in Not, Leid und in Kriegszeiten, das sind diejenigen, die wahrhaftig sind, und das sind die Gottesfürchtigen.“ (Der edle Koran 2:177)
Allah beschreibt in diesem Vers die Eigenschaften und Merkmale der rechtschaffenen und gottesfürchtigen Menschen. Vier wichtige Aspekte sind hieraus zu entnehmen:
1) Die Bekenntnis soll wahrhaftig und aufrichtig sein.
2) Dies durch hilfreiche Taten anderer gegenüber unter Beweis stellen.
3) Sowohl im Gebet als auch in der Hilfe für andere, möglichst mit Gleichgesinnten zusammentun.
4) Die Standhaftigkeit und Geduld soll vor allem in drei Gelegenheiten bewahrt werden: bei körperlichen Schmerzen oder Leiden, bei jeder Art von Not und in Zeiten öffentlicher Drangsal.
Das ist der Maßstab, mit dem die einzelnen Verhaltensweisen beurteilt und in gut oder schlecht eingeteilt werden. Dieser Maßstab der Beurteilung bildet den Kern, um den sich das gesamte moralische Verhalten dreht.
Bevor der Islam irgendwelche ausdrücklichen Befehle erteilt, ist er bestrebt tief in das Herz des Menschen die Überzeugung einzupflanzen, dass sich sein Leben vor Allah abspielt. Allah, Der ihn jederzeit und überall sieht; dass er sich vor allen Menschen verstecken kann, aber nicht vor Allah; dass er jeden täuschen kann, jedoch niemals Allah täuschen kann; dass er aus dem Griff einer Person entfliehen kann, nicht aber aus dem Griff Allahs.
Da der Islam das Erlangen des Wohlgefallen Allahs zum Zweck des menschlichen Daseins erklärt, zeigt es die höchstmögliche Norm sittlichen Verhaltens auf. Dies schafft zwangsläufig eine endlose Zahl von Möglichkeiten für die moralische Entfaltung der Menschheit. Die Betrachtung der göttlichen Offenbarung als die Hauptquelle des Wissens gibt den moralischen Normen Beständigkeit und Stabilität. Der Islam verschafft in der Liebe zu und in der Furcht vor Allah eine innere Bindung zum sittlichen Verhalten, die den Menschen antreibt Folge zu leisten, ohne jeglichen äußerlichen Zwang. Durch den Glauben an Allah und an den Tag des Gerichts gewährt der Islam eine Kraft, die es einer Person ermöglicht, sich ernsthaft und aufrichtig mit tiefer Frömmigkeit des Herzens und der Seele, um das sittliche Verhalten zu bemühen.
Der Islam liefert weder irgendwelche ungewöhnlichen moralischen Tugenden durch einen falschen Sinn für Selbständigkeit und Neuerung, noch sucht er die Bedeutung der allgemeinen anerkannten Normen der Moral herabzusetzen oder einigen übertriebenen Bedeutung beizumessen und andere grundlos zu vernachlässigen. Vielmehr greift er alle allgemein anerkannten Tugenden auf und weist jeden von ihnen, mit einem Sinn für Ausgewogenheit und Wirklichkeit, den passenden Platz und die für sie zutreffende Funktion im gesamten Lebensplan zu. Er erweitert den geistigen Horizont des individuellen und des gemeinschaftlichen Lebens des Menschen, wie beispielsweise seine häuslichen Beziehungen, sein Verhalten als Mitglied der Gesellschaft und seine Aktivitäten auf politischen, wirtschaftlichen, juristischen, erzieherischen und sozialen Gebiet. Der Islam erstreckt sich von Hause/Familie bis hin zur Gesellschaft, vom Esstisch bis zu den Kriegsfeldern und den Friedenskonferenzen, kurz gesagt von der Wiege bis zum Grab. Kein Lebensbereich ist von der allumfassenden Anwendung der islamischen Moralgrundsätze ausgenommen.
Der Islam gibt dem sittlichen Verhalten die höchste Bedeutung und gewährleistet, dass die Angelegenheiten des täglichen Lebens durch Moralgrundsätze reguliert werden statt von egoistischen Zielen und untergeordneten Belangen beherrscht zu sein. Allah sieht damit für die Menschen eine Lebensweise vor, die auf dem Guten begründet und von allem Übel frei ist. Er veranlasst die Menschen nicht nur Tugend zu praktizieren, sondern die Tugend auch durchzusetzen und Untugend zu beseitigen. Gutes zu gebieten und Verwerfliches zu verbieten. Nach dem Willen des Islam soll das Urteil des Gewissens die Oberhand gewinnen und die Tugend darf nicht unterdrückt und nach dem Übel die Nebenrolle spielen.
Jene, die diesem Ruf Folge leisten, sind in einer Gemeinschaft (Ummah) zusammengeschlossen und werden Muslime genannt. Das Ziel der Gründung dieser Gemeinschaft, ist eine organisierte Anstrengung zu unternehmen, um die Tugend durchzusetzen und geltend zu machen, und das Übel zu verwehren und zu beseitigen.
Einige grundlegende Sittenlehre des Islam, die verschiedene Aspekte des Lebens eines Muslims betreffen sowie seine sozialen Verantwortungen, wären:
Die Gottesfürchtigkeit
Im Koran erwähnt Allah die Gottesfurcht als die beste Eigenschaft eines Muslims:
إِنَّ أَكْرَمَكُمْ عِندَ اللَّـهِ أَتْقَاكُمْ ۚ
„(…) Gewiss, der Geehrteste von euch bei Allah ist der Gottesfürchtigste von euch. (…)“ (Der edle Koran 49:13)
Bescheidenheit, Sittsamkeit, Beherrschung der Leidenschaften und Begierden, Wahrhaftigkeit, Rechtschaffenheit, Standhaftigkeit und das Halten des Versprechens sind sittliche Werte, die im Koran immer wieder betont werden:
وَاللَّـهُ يُحِبُّ الصَّابِرِينَ ﴿١٤٦﴾
„(…) Und Allah liebt die Standhaften.“ (Der edle Koran 3:146)
وَسَارِعُوا إِلَىٰ مَغْفِرَةٍ مِّن رَّبِّكُمْ وَجَنَّةٍ عَرْضُهَا السَّمَاوَاتُ وَالْأَرْضُ أُعِدَّتْ لِلْمُتَّقِينَ ﴿١٣٣﴾ الَّذِينَ يُنفِقُونَ فِي السَّرَّاءِ وَالضَّرَّاءِ وَالْكَاظِمِينَ الْغَيْظَ وَالْعَافِينَ عَنِ النَّاسِ ۗ وَاللَّـهُ يُحِبُّ الْمُحْسِنِينَ ﴿١٣٤﴾
„Und beeilt euch um Vergebung von eurem Herrn und (um) einen (Paradies)garten, dessen Breite (wie) die Himmel und die Erde ist. Er ist für die Gottesfürchtigen bereitet, die in Freude und Leid ausgeben und ihren Grimm zurückhalten und den Menschen verzeihen. Und Allah liebt die Gutes Tuenden“ (Der edle Koran 3:133-134)
Der Prophet Lukman (a.s.) sprach im zu seinem Sohn ermahnend:
يَا بُنَيَّ أَقِمِ الصَّلَاةَ وَأْمُرْ بِالْمَعْرُوفِ وَانْهَ عَنِ الْمُنكَرِ وَاصْبِرْ عَلَىٰ مَا أَصَابَكَ ۖ إِنَّ ذَٰلِكَ مِنْ عَزْمِ الْأُمُورِ ﴿١٧﴾ وَلَا تُصَعِّرْ خَدَّكَ لِلنَّاسِ وَلَا تَمْشِ فِي الْأَرْضِ مَرَحًا ۖ إِنَّ اللَّـهَ لَا يُحِبُّ كُلَّ مُخْتَالٍ فَخُورٍ ﴿١٨﴾ وَاقْصِدْ فِي مَشْيِكَ وَاغْضُضْ مِن صَوْتِكَ ۚ إِنَّ أَنكَرَ الْأَصْوَاتِ لَصَوْتُ الْحَمِيرِ ﴿١٩﴾
„O mein lieber Sohn, verrichte das Gebet, gebiete das Rechte und verbiete das Verwerfliche und ertrage standhaft, was dich trifft. Gewiss, dies gehört zur Entschlossenheit (in der Handhabung) der Angelegenheiten. Und zeige den Menschen nicht geringschätzig die Wange und gehe nicht übermütig auf der Erde einher, denn Allah liebt niemanden, der eingebildet und prahlerisch ist. Halte das rechte Maß in deinem Gang und dämpfe deine Stimme, denn die widerwärtigste der Stimmen ist wahrlich die Stimme der Esel.“ (Der edle Koran 31:17-19)
Der Gesandte Allahs (صلى الله عليه و سلم), der das schöne Vorbild der Muslime ist, sagt:
„Mein Herr hat mir neun Anweisungen gegeben: gottesfürchtig zu bleiben, sowohl heimlich als auch öffentlich; gerecht zu sprechen, sei es im Zustand des Ärgers oder der Zufriedenheit bescheiden zu sein, ob reich oder arm; Verbindung herzustellen mit denen, die ihre Beziehung zu mir abgebrochen haben; dem zu geben, der mich zurückgewiesen hat; dass mein Schweigen (mit) Denken (begleitet sein soll); dass mein Blick (für mich) eine Ermahnung (sein soll); und dass ich, was rechtens ist, befehle.“
Die sozialen Verpflichtungen
Der Islam lehrt, dass die sozialen Verpflichtungen auf Güte und Berücksichtigung andere beruht. Da ein allgemeiner ausdrücklicher Befehl, gütig zu sein, in bestimmten Situationen ignoriert bzw. vernachlässigt wird, werden bestimmte Handlungen der Güte erwähnt und die Verpflichtungen und Rechte verschiedener Beziehungen definiert. Im erweiterten Kreis der Beziehungen ist unsere erste Verpflichtung gegenüber unserer unmittelbaren Familie, d.h. Eltern, Ehemann oder Ehefrau und Kinder, dann gegenüber andere Verwandte, Nachbarn, Freunde und Bekannte, Waisen und Witwen, den Bedürftigen der Gemeinschaft, den Muslimen, allen Menschen und den Tieren.
Die Eltern
Im Islam wird ausdrücklich der Respekt/Achtung gegenüber den Eltern und deren Fürsorge betont, die einen wichtigen Teil des Glaubens eines Muslims bilden.
وَقَضَىٰ رَبُّكَ أَلَّا تَعْبُدُوا إِلَّا إِيَّاهُ وَبِالْوَالِدَيْنِ إِحْسَانًا ۚ إِمَّا يَبْلُغَنَّ عِندَكَ الْكِبَرَ أَحَدُهُمَا أَوْ كِلَاهُمَا فَلَا تَقُل لَّهُمَا أُفٍّ وَلَا تَنْهَرْهُمَا وَقُل لَّهُمَا قَوْلًا كَرِيمًا ﴿٢٣﴾ وَاخْفِضْ لَهُمَا جَنَاحَ الذُّلِّ مِنَ الرَّحْمَةِ وَقُل رَّبِّ ارْحَمْهُمَا كَمَا رَبَّيَانِي صَغِيرًا ﴿٢٤﴾
„Und dein Herr hat bestimmt, dass ihr nur Ihm dienen und zu den Eltern gütig sein sollt. Wenn nun einer von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, so sag nicht zu ihnen: „Pfui!“ und fahre sie nicht an, sondern sag zu ihnen ehrerbietige Worte. Und senke für sie aus Barmherzigkeit den Flügel der Demut und sag: „Mein Herr, erbarme Dich ihrer, wie sie mich aufgezogen haben, als ich klein war.“ (Der edle Koran 17:23-24)
Die Verwandte
Allah sagt im Koran:
وَآتِ ذَا الْقُرْبَىٰ حَقَّهُ وَالْمِسْكِينَ وَابْنَ السَّبِيلِ وَلَا تُبَذِّرْ تَبْذِيرًا ﴿٢٦﴾
„Und gib dem Verwandten sein Recht, ebenso dem Armen und dem Sohn des Weges. Und handle nicht ganz verschwenderisch (in dem du es für Verderben und nicht für gute Taten ausgibst).“ (Der edle Koran 17:26)
Die Nachbarn
Der Gesandte Allahs (صلى الله عليه و سلم) sagte:
„Er ist kein Gläubiger, der sich satt isst, während sein Nachbar hungert.“
„Derjenige glaubt nicht, dessen Nachbarn vor seinen Missetaten nicht sicher sind.“
Gemäß dem, was im Koran und in der Sunnah des Propheten Muhammad (صلى الله عليه و سلم) erwähnt wird, hat ein Muslim seine moralische Verantwortung nicht nur gegenüber seinen Eltern, Verwandten und Nachbarn nachzukommen, sondern gegenüber allen Menschen, Tieren und nützlichen Pflanzen. Es ist beispielsweise nicht erlaubt, Vögel und Tiere zum Zweck des Spieles zu jagen und zu töten. Genauso ist es nicht gestattet, Bäume zu fällen oder Pflanzen zu vernichten, die Früchte liefern oder nützlich sind, es sei denn, es liegt ein sehr dringender Bedarf für diese Handlung vor.
Der Islam reinigt die Seele vom selbstsüchtigem Egoismus, Tyrannei, Scham- und Disziplinlosigkeit. Es bildet gottesfürchtige Menschen, die sich ihren Idealen widmen, mit Frömmigkeit, Enthaltsamkeit und Disziplin, die mit der Unaufrichtigkeit feindselig sind. Er führt zu den Gefühlen der sittlichen Verantwortung und fördert die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung. Außerdem ruft der Islam zu Güte, Großmut, Barmherzigkeit, Anteilnahme, Frieden, selbstloser Gefälligkeit, gewissenhafter Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit gegenüber der gesamten Schöpfung und in allen Situationen auf. Der Islam nährt noble Eigenschaften, von denen nur Gutes zu erwarten ist.
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