10-12-2017
Die Regierungen der Republik besaßen nahezu unbegrenzte Macht; Sie hatten die Sultane mit ihrem luxuriösen Leben in den Schatten gestellt.
Die Regierung in Ankara war auch vor der Aufhebung des Sultanats republikanisch gewesen. Welche Bedeutung hatte in diesem Sinne dann der Ausruf der türkischen Republik am 29 Mai 1923 ?
Die Osmanen fielen 4 Jahre nach dem ersten Weltkrieg in eine Katastrophe, die sie so plötzlich getroffen hatte und was in ihrer jahrhundertelangen Vergangenheit seines Gleichen nicht geschah.
Ihre Hauptstadt Istanbul wurde letzten Endes besetzt.
Zu dieser Zeit glich die Staatsform einer parlamentarischen Monarchie und es war auch die Zeit, an dem Sultan Vahidettin der II. den Thron bestieg. Dieser löste jenes Parlament auf, welches er als Ursache dieser Umstände sah. Angesichts dieser Ereignisse flohen einige der vordersten Vertreter des Komitees für Einheit und Fortschritt ins Ausland (Ittihad ve Terakki), was aber nur vorübergehend sein sollte.
Präsident Mustafa Kemal und der Premierminister Ismet Inönü
Wer war das Oberhaupt des Staates?
Der die Widerstandsbewegung gegen die Alliierten in Istanbul organisieren und diese unterstützen bzw. verstärken sollte, mit dem Titel des Militärinspektors betraute und nach Anatolien gesendete Mustafa Kemal Pasa gründete in Ankara eine provisorische Regierung.
Wahlen wurden dort abgehalten, worauf sich das Parlament erneut in Istanbul 1920 versammelte. Obwohl Mustafa Kemal zum Abgeordneten gewählt wurde verlief nicht alles nach seinem Plan. Er wollte jenes Parlament in seine und Ankaras Kontrolle bringen. Trotzdem war es die Mehrheit der Abgeordneten -des Istanbuler Parlaments-, welche seitens Regierung in Ankara unterstützt wurde.
Das Parlament wurde bei der Entscheidung darüber, wie die neuen Grenzen des Landes verlaufen sollten und über die Entscheidung des Nationalpakts (Misak-i Milli) welcher aus Ankara stammt, seitens der Briten aufgelöst. Die Abgeordneten aus dem ehemaligen Parlament in Istanbul wechselten nach Ankara über, um sich dort am 23. April 1920 im neuen Parlament zu erneut zu versammeln, was in Mustafa Kemals Interesse lag.
Ankara hat förmlich alles in seiner Macht getan um das Istanbuler Parlament aufzulösen.
Im Rahmen der „wait and see“ Politik der Briten, sahen sie den aufgehenden Stern in Ankara und ließen die osmanischen Gefangenen in Malta auf freien Fuß. Diese schlossen sich ebenfalls der Regierung in Ankara an. Trotz der Tatsache, dass die Engländer dazu fähig waren die Versammlung des Parlaments in Ankara einen Riegel vorzuschieben, taten sie es nicht.
So entstand sozusagen eine neue Ittihat-Bewegung (in Anlehnung zum Komitee von Einheit und Fortschritt; Anm. d. Übersetzers) in Ankara. Die Briten hatten schon längst mit dem Sultanat abgeschlossen und diese Ad Acta gelegt. England, welches zur damaligen Zeit ein Viertel der Welt unter seiner Herrschaft innehatte, besaß einen nicht unerheblichen Anteil der muslimischen Bevölkerung und konzentrierte seine Vorhaben vor allem im 19. Jahrhundert darauf das Kalifat zu schwächen und schlussendlich ganz aufzuheben. London gab seine Heimlichtuereien schließlich auf, als sich der politische Kompass der Ankara-Regierung zuwandte.
Der Präsident Mustafa Kemal Pasa beim Verlassen des Parlaments in Ankara
Zu der Zeit wurde das Osmanische Reich mit einer republikanischen Regierung geführt. Das Kabinett, wie auch die Gerichtsbarkeit gingen direkt über das Parlament. Mustafa Kemal hatte zu dieser Zeit, das in der Schweiz geltende Rechtssystem adaptiert. Jene Aspekte, welche eine Autorität in seiner Macht begrenzen sollten, sollten im Nachhinein durch diverse Gelegenheiten gelockert bzw. aufgeweicht werden. Als das Sultanat aufgehoben wurde, vereinte Mustafa Kemal auf seine Person die Ämter des Oberkommandierenden, sowie die des Obersten Abgeordneten im neuen Parlament.
Einerseits konnte er durch Diplomatie mit den Franzosen und Italienern eine Waffenruhe mit jenen aushandeln und auf anderer Seite alle Opposition im aus dem Weg räumen, wenn es die Gelegenheit geboten hatte.
Am 1. November 1922 wurde zusammen mit der Abrogation des Sultanats, das Kalifat zu einer Symbolfigur ohne das Recht auf exekutive Gewalt degradiert.
Der Nachfolger Abdulmecid Efendi wurde durch die Regierung in Ankara auf diesen Posten gebracht.
Sein Cousin Sultan Vahidettin, der aufgrund von Anschuldigungen bezüglich Landesverrates außer Landes reisen musste, schrieb in seiner Deklaration, dass jedwede Verfassungsänderungen nicht ohne das Einverständnis des Sultans gemacht werden können und von daher keinerlei Bestand haben und somit diese Aktionen (Trennung von Sultanat und Kalifat) verfassungswidrig seien.
Vahidettin der 2. Kritisierte seinen Cousin dafür, dass er dieses Amt angenommen hatte.
Übrig blieb im Zuge dessen nur noch die Regierung in Ankara als letzter Ansprechpartner, der schließlich an den Friedensverhandlungen als einzige teilnahm.
Jedoch sah das Volk, sowie die Volksvertreter Abdulmecid Efendi, welcher in Istanbul noch immer residierte, als legitimes Staatsoberhaupt an, da laut osmanischer Verfassung das Amt des Kalifen nicht nur eine spirituelle Rolle innehatte, sondern auch eine politische.
Der letzte Kalif Abdulmecid Efendi
Das Pasa-Komplott
Auf der anderen Seite beobachteten einige Freunde Mustafa Kemals mit Sorge, wie dieser sich im Rahmen der Geschehnisse immer stärker als einzige Autorität herauskristallisierte. Sie berieten sich. Mustafa Kemal beklagte, dass ein Abgeordneter nicht gleichzeitig auch ein Oberkommandierender des Militärs sein könne, woraufhin einige von ihren militärischen Positionen zurückgetreten waren. Einige hingegen zogen ihre Positionen innerhalb des Militärs vor, dazu gehörten namhafte Personen wie Kazim Karabekir, Ali Fuad Cebesoy, Cevad Cobanli. In der Befürchtung einem Militärputsch/militärischen Komplott anheim zu fallen, versetzte M. Kemal diese.
Als dieselben Personen im Nachhinein zivile Posten als Abgeordnete annahmen, sprach M. Kemal nun von einem politischen Komplott. Bis dato hatten immer die Unterstützer M. Kemals ihn als den Parlamentsvorsitzenden gewählt und als nun Rauf Orbay und Sabit Bey die überhandnahmen, gefiel ihm das überhaupt nicht. Die Opposition gewann zunehmend an Stärke. Als jedoch 1923 im zweiten Parlament gewählt wurde, wurde die Opposition aussortiert, sodass nur noch die M.Kemal loyalen Abgeordneten übrig blieben.
Obwohl das nun neue Parlament aus Republikanern bestand gab es immer noch Widerspenstige unter ihnen. Der Besuch des Kalifen seitens Rauf Orbay, Refet Bele und Adnan Adivar am 19. Oktober, brachte das Fass schließlich zum Überlaufen
M.Kemal, der in seinem Buch „Nutuk“ berichtete, dass dieser über jene Ereignisse, ziemlich beunruhigt war, musste eine Krise planen um schlussendlich eine Regierung zu bilden die mit ihm auf einer Wellenlänge stand. Dazu forderte er bis auf Fethi Bey und Fevzi Pasa, alle anderen Abgeordneten zur Beilegung ihrer Ämter. Weitere Oppositionelle waren zum Abend des 23. Oktober außerhalb der Stadt, was Seitens M. Kemal als Gelegenheit wahrgenommen wurde ums sich im Cankaya Palast mit seinen sieben treusten Anhängern zu versammeln.
Den darauffolgenden Tag forderte er jene auf Ansprachen über Hindernisse in der Regierungsbildung abzuhalten. Ismet Inönü hielt er an eine Gesetzesentwurf zur Republikgründung zu entwerfen und diesen vorzulegen. In einer quasi „Nacht- und Nebelaktion“ wurde am 29. Oktober Morgen das Parlament, ohne das Wissen der anderen Abgeordneten, versammelt. Dennoch konnte keine Liste mit Regierungsvertretern erstellt werden, die dem Mehrheitsvotum entsprach. Zum wem auch M. Kemal ging, wurde er abgewiesen.
Nach dem M. Kemal den Gesetzesvorschlag dem Parlament überreichte, wurde das Regime offiziell zur Republik. Das Recht den Obersten Abgeordneten zu ernennen wurde dem Präsidenten zugebilligt und die Abgeordneten wurden wiederrum vom Obersten Abgeordneten ernannt.
Das Parlament hatte all das am Abend verabschiedet. Obwohl dazu eine 2/3 Mehrheit von Nöten war, wurde das Gesetz mit 158 von 264 Abgeordneten-Stimmen verabschiedet.
Laut Yakub Kadri war die Sorge der Abgeordneten nicht die Errichtung einer Republik, sondern die einer Autorität. Es ging alles so schnell von Statten, dass sich sogar die Presse beim Datum der offiziellen Verkündung der Republik irren sollte. So konnte aber der Opposition Einhalt geboten und dem Kalif seine Grenzen aufgezeigt werden. Später sollte das Kalifat komplett abgeschafft und die Regierung eingesetzt werden.
Als M. Kemal zum Präsidenten gewählt wurde, hatte dieser sich prompt Sonderrechte zuerkannt. Er besaß mit dem Posten des Staats-, Regierungs-, Parlaments-, und Parteivorsitzenden eine derart große Macht, welches die Sultane zuvor in den Schatten stellen sollte. Obschon das System davor offiziell eine Republik darstellte, erklären seine Versuche in dem damaligen System die Posten des Kriegsministers einzunehmen und eine der Töchter des Sultans zu heiraten, seine wahren Absichten.
Bis auf Abdul Hamid den II. ging die Macht der Sultane danach nicht über politikferne Regierungsoberhäupter hinaus. Hingegen haben wir seit der Ausrufung der Republik eine Regierung mit unbegrenzter Macht. Prunk und Pracht hatten die neuen Oberhäupter, welche die Sultane in den Schatten stellen sollte.
Die Ausgabe der Hakimiyet-i Milliye mit der Proklamation der Republik
Ekrem Bugra Ekinci
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